Im Interview spricht der in Fachkreisen anerkannte Professor für Nachhaltigkeitsmanagement über die Ausgangssituation, die er bei PAPSTAR vorgefunden hat, den gemeinschaftlich forcierten Prozess, definierte Orientierungshilfen und über den unaufhaltsam fortschreitenden Paradigmenwechsel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft.
Herr Professor Dr. Weber, Sie sind von PAPSTAR in ein Folgeprojekt eingebunden worden, welches sich an den 17 Zielen (Sustainable Development Goals) für eine bessere Zukunft als Agenda 2030 der Vereinten Nationen orientiert. Warum ist diese Herangehensweise im Hinblick auf die Schaffung global nachhaltiger Strukturen wichtig und wie lässt sich die wachsende Relevanz erklären?
Das Thema Nachhaltigkeit wird von vielen Menschen auf unserem Planeten als 'hoch prioritär' eingestuft, um es dann oftmals 'nur' mit Klimaschutz gleichzusetzen. Nachhaltigkeit ist aber viel mehr und lässt sich in seiner Komplexität nicht nur auf ein Thema herunterbrechen. Auf unserer Erde hängt alles miteinander zusammen. Das lehrt uns bereits die Natur, die ja aus ineinandergreifenden Ökosystemen besteht. Nicht anders ist es mit dem 'Wirken der Menschen': Soziale Aspekte, die uns Wohlstand sichernde Wirtschaft und nicht zuletzt die Umwelt, also aktuell das so wichtige Thema Klimaschutz, hängen ebenso zusammen und bedingen sich stark.
Die SDGs liefern eine sinnvolle Strukturierung anhand von 17 Kategorien, die für alle Menschen in allen Ländern der Welt gleich sein soll. Sie bieten Unternehmen wie PAPSTAR die Chance, sich noch stärker zu positionieren, neue Geschäftsfelder zu erschließen und so verstärkt zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Handeln und Wirken werden somit in den verschiedenen Ländern, Sektoren und Unternehmen mess- und vergleichbarer, so dass sich für eine nachhaltigere Welt in den einzelnen Kategorien konkrete Zielsetzungen und Verpflichtungen ableiten lassen.
Den Prozess bei PAPSTAR haben Sie aus wissenschaftlicher Sicht begleitet: Wie lassen sich die einzelnen Schritte definieren und welche Ausgangsposition haben Sie vorgefunden?
Spätestens seit 2019 ist das Thema Nachhaltigkeit in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Nicht zuletzt durch eine breite mediale Rezeption kommt man an diesem Thema einfach nicht mehr vorbei - egal ob Politik, Verbraucher oder eben insbesondere Unternehmen. Bei PAPSTAR durfte ich beobachten, dass Corporate Sustainability auch schon zuvor eine hohe Bedeutung gehabt haben muss; die Sensibilität für ein nachhaltiges Wirtschaften war von Anbeginn an vorhanden. Mehr noch: PAPSTAR hat nachhaltige Ansätze seit Jahren breit und substanziell implementiert, auch wenn natürlich in vielen Bereichen noch Potenziale und damit verbundene Herausforderungen vorhanden sind. Die Gründung und Installation einer eigenen Organisationseinheit, der PAPSTAR Solutions GmbH, die das Prinzip der Kreislauflösungen stark vorantreibt, ist nur ein Beispiel für ein wirklich zielorientiertes Vorgehen.
Auf dieser Basis ließ sich beim gemeinschaftlichen Prozess aufbauen. Mithilfe wissenschaftlicher Ansätze und der SDGs als Orientierungsrahmen konnten relevante Themen der Nachhaltigkeit abgeleitet und mit konkreten Subzielen 'hinterlegt' werden. Vor allem eine mit uns durchgeführte Wesentlichkeitsanalyse war dabei ein maßgebliches Instrument, um die relevanten Nachhaltigkeitsthemen von PAPSTAR identifizieren und schärfen zu können. Auch konkrete Impact-KPIs (Key-Performance-Indicator, dt. Schlüsselkennzahlen; Anm. d. Red.) konnten im Zuge dessen formuliert werden. So lassen sich die eigenen Aktivitäten innerhalb der SDGs besser nachverfolgen, bewerten und auch messen. Insgesamt konnten gemeinschaftlich weitere konkrete Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit abgeleitet werden, die PAPSTAR in den kommenden Jahren umsetzen wird.
PAPSTAR steht sinnbildlich für Einmalprodukte in drei Produktkategorien, die vorschnell mit leichten Ressentiments behaftet werden. Wie ordnen Sie die aktuelle Einweg-Mehrweg-Diskussion ein?
Die Frage lässt sich wahrlich nicht einfach beantworten, zumal wir in allen Bereichen, in denen Ein- und Mehrweg zum Einsatz kommen, noch viel zu tun haben. Tatsächlich muss die Entscheidung für den ein oder anderen Ansatz individuell getroffen werden - viele Faktoren wie auch die Fragestellung spielen dabei eine Rolle. Schauen wir uns die Nutzung von Mehrwegbechern an: Wie oft müssen diese gespült werden? Wie hoch ist dabei der Verbrauch von Energie und Wasser? Wie weit ist der Transportweg hin zum Wiederaufbereitungsstandort beziehungsweise zur Spülmaschinerie? Wie hoch ist der CO₂-Ausstoß durch diesen Lkw-Transport? Wieviel Becherschwund gibt es und wieviel neue Becher müssen aus meist erdölbasiertem Plastik neu produziert werden? Diese Fragen und viele weitere zu beachtende Faktoren, beispielsweise Hygiene und Sicherheit, bringen mich zu dem Schluss, dass für jedes Event oder jede Sportveranstaltung individuell entschieden werden sollte, was im Kontext der Nachhaltigkeit der ganzheitlich jeweils beste Weg ist.
Eine ganzheitliche Nachhaltigkeit ist das erklärte Ziel - so lehren es ja auch die SDGs. Final geht es darum, kreislauforientierte Lösungen zu finden, so dass keine Ressourcen verschwendet und wertvolle Materialien wiederverwendet werden beziehungsweise in einem zirkulären Ansatz verweilen.
Wir befinden uns inmitten eines Paradigmenwechsels hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Nachhaltig ist heute der absolute Megatrend. In die unmittelbare Zukunft geschaut: Wo geht die Reise hin und welche kommende Entwicklung lässt sich aus ihrer fundierten Sicht prognostizieren?
Der Ukraine-Konflikt, die damit zusammenhängende Energiekrise, die Post-Corona-Phase, eine ausgeprägte Rohstoff-Knappheit und Unsicherheiten bei Verfügbarkeiten: Aktuell ist eine Prognose durch starke externe Ereignisse und Ungewissheiten geprägt. Das vielerorts und oftmals immer noch als Luxus wahrgenommene Thema der Nachhaltigkeit wird in Unternehmen nach hinten geschoben. Fakt ist jedoch, dass die Klimakrise unvermindert weitergehen wird und die Erreichung von konkreten Klimazielen keine Pause zulässt. Die Kipppunkte sind zum Teil bereits erreicht und ökologische Missstände kaum reversibel. Auch die Themen Wasserknappheit und der Verlust der Biodiversität werden in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen und uns vor große Herausforderungen stellen.
Wir alle dürfen daher das Thema Nachhaltigkeit nicht schleifen lassen. Mein Rat kann daher nur sein, dass jedes Unternehmen die Zielsetzungen der Nachhaltigkeit in den Kern seines unternehmerischen Handelns aufnehmen sollte. Schon aus rein wirtschaftlichen Gründen wird dieser Schritt unerlässlich sein, zumal Verbraucher zunehmend sensibilisiert sind und nicht nachhaltige Unternehmen künftig noch stärker sanktionieren werden. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und lege mich als finale Aussage darauf fest, dass Unternehmen, die das Thema nicht priorisieren und substanziell angehen, in den nächsten Jahren von vielen Märkten verschwinden werden.
Das Interview führte Bernd Born.
- erschienen im Nachhaltigkeitsbericht 2022 der PAPSTAR GmbH (www.papstar-storyteller.de/nachhaltigkeitsbericht-2022)
Zur Person
Prof. Dr. Torsten Weber ist an der CBS International Business School mit Passion in den Themenfeldern Nachhaltigkeits- und Innovationsmanagement unterwegs.
Seit 2020 ist der 45-Jährige zudem Mitgründer sowie wissenschaftlicher Berater der Initiative "Sports for Future", bei der unter anderem rund um die Fußball-Bundesligisten Werder Bremen oder TSG Hoffenheim sowie Einzelsportler wie Fabian Hambüchen die verbindende Kraft des Sports genutzt wird, um gemeinsam den Herausforderungen der Klimakrise zu begegnen. Weber ist häufiger Gast und Redner auf Konferenzen und Veranstaltungen im In- und Ausland sowie Diskutant in deutschen Medien zum Thema Nachhaltigkeit.
Im Juli 2021 erschien sein neuestes Buch als Co-Autor (mit Politikerin Caroline Bosbach) zur Prognose einer zukunftsfähigen Gesellschaft, welches in den Rankings in Deutschland auf den vorderen Plätzen landete.
Torsten Weber ist nicht zuletzt Berater für Nachhaltigkeitsthemen, selbst Unternehmer und hat im Oktober ein Start-up für nachhaltige Lifestyle-Produkte gegründet.