Und dennoch: Wir möchten die nicht zuletzt von persönlichen Eindrücken gespickte (Home-)Story inklusive Übernachtung im herzlich zugewiesenen 4-Sterne-Superior-Zimmer (nach DEHOGA-Hotelklassifizierung) vom Etikett "Menschen" angeführt wissen. Die an allen Ecken und Enden greifbare fachliche Kompetenz unseres Gesprächspartners in allen Ehren, aber in den nächsten gut 90 Minuten werden es vor allem die menschlichen Aspekte sowie die authentisch vorgetragenen Überzeugungen rund um Themen wie Umweltschutz oder familiärer Zusammenhalt sein, die sich nachhaltig verfestigen werden.
Naturpark-Wirte, DEHOGA und FBMA-Stiftung
Klaus-Günther Wiesler ist Vorsitzender des Vereins der Naturpark-Wirte im Südschwarzwald und der Fachgruppe "Tourismus und Hotellerie" des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Baden-Württemberg e.V. (DEHOGA), dazu gilt er als einflussreiches Mitglied des Arbeitskreises "Umwelt" des DEHOGA-Bundesverbandes mit Sitz in Berlin und leitet als Geschäftsführer die Geschicke der FBMA-Stiftung (Food & Beverage Management Association e.V.) zur Förderung von Forschung, Kultur, Bildung, Verbraucheraufklärung und Umweltschutz in der Hotellerie und Gastronomie. Die Erfolge seines Wirkens für ein nachhaltig aufgestelltes Gastgewerbe sind unumstritten und wurden erst im letzten Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz, überreicht durch Landrätin Dorothea Störr-Ritter (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald), gewürdigt. Der Geehrte sei kein abgehobener Verbandsfunktionär, sondern ein sympathischer Teamplayer, brachte es seinerzeit Waldemar Fretz als stellvertretender Vorsitzender des DEHOGA Baden-Württemberg auf den Punkt: "Ein Kollege, der für besondere Ergebnisse zum Vorteil der ganzen Branche steht."
Familienmensch und "Überzeugungstäter"
Eine Einschätzung, der man leicht folgen möchte, wenn man dem ausgemachten Familienmenschen - 1989 übernahm er den Hotelbetrieb von seinen Eltern Rosemarie und Herbert - und "Überzeugungstäter" im Sinne einer möglichst intakt zu haltenden Umwelt unmittelbar gegenübersitzt und vor allem zuhört. "Es ist ja heutzutage eher üblich, dass man alles, was einen nervt, auslagern kann", so Klaus-Günther Wiesler, der die "eigene Verantwortung" als Triebfelder für jegliche Nachhaltigkeits-Praxis ausgemacht hat: "Mein Müll, meine Verantwortung - so einfach ist das!" Und überhaupt: Wenn man sich nicht selbst ständig in den Hintern trete, passiere eh nichts.
Nachhaltigkeit benötigt "langen Atem"
Den Hotel-Manager scheint eine eher realistisch geprägte Sicht der Dinge auszuzeichnen: "Nachhaltigkeit ist wenig sexy, leider kaum sichtbar und spielt sich meist im Hintergrund ab. Wer auf sie setzt, muss wissen, dass sich die Maßnahmen in der Regel erst langfristig amortisieren." Das bedeute, dass man einen langen Atem benötige. "Schlussendlich lässt sich über die Jahre aber sehr viel Geld sparen", so Klaus-Günther Wiesler, der mehr als nur einmal die Erfahrung gemacht hat, dass "Nachhaltigkeit schlussendlich immer die günstigere Alternative ist".
Die grobe Richtschnur fürs Umwelt-Management im Seehotel leuchtet schnell ein. "Die Hälfte von dem, was wir in einem Jahr durch unsere durchweg nachhaltige Ausrichtung einsparen, investieren wir in neue Maßnahmen für das darauffolgende Jahr", hat Wiesler eine Art Faustformel festgelegt, die prächtig zu funktionieren scheint. 70 konkrete Maßnahmen seit 2009 sind belegbar und haben dazu geführt, dass der Familienbetrieb seinen Gästen sozusagen schwarz auf weiß an die Hand geben kann, dass das Seehotel zu 99 Prozent CO2-frei betrieben wird. Kompensationsansätze, also ausgleichende Geldspenden für ökologische Projekte, sind den Wieslers dabei fremd. "Da kümmern wir uns lieber um die Renaturierung heimischer Wälder oder die Pflege unseres eigenen Moorgebietes", so der Hausherr über liebgewonne regional geprägte Projekte, die längst einen festen Platz in der Seehotel-Philosophie eingenommen haben.
Kandidat für baden-württembergischen Umweltpreis 2020
Wir tauchen in Details ab: Projekte, Neuausrichtungen, Verbrauchsdaten, Einsparungen - schnell wird deutlich, dass es genau abzuwägen gilt, wo Nachhaltigkeit in welchem Maß Sinn machen kann. "Im Wellnessbereich beispielsweise definiere ich das Thema anders als in den Zimmern", hat Klaus-Günther Wiesler schnell ein geeignetes Beispiel parat: "Wellness ist immens wichtig für uns, aber auch wahnsinnig teuer. Zudem sind dort Trends gefragt, die bekanntlich sehr kurzlebig sind." So sei er zu der Erkenntnis gekommen, bei der Architektur auf Nachhaltigkeit im Sinne von modern und funktionell zu setzen - zeitlos hochwertig sozusagen, aber im Detail mit den Trends zu gehen: "So kann ich schnell reagieren, muss aber nicht gleich alles neu machen!"
Fabian Isele sitzt mit am Tisch, ein angenehm-aufgeweckter junger Mann, der sich aus Studiengründen bestens in den Bereichen Verfahrenstechnik und Anlagenbau auskennt und als "Schwiegersohn in spe" irgendwie schon zur Familie zählt. Nicht nur, dass der angehende Ingenieur die "nachhaltige Geschichte des Seehotels" sehr anschaulich für die aktuelle Bewerbung zum "Umweltpreis 2020 des Landes Baden-Württemberg" bebildert und dokumentiert hat (siehe untenstehende Auflistung), auch in Bezug auf die Anschaffung der von der PAPSTAR Solutions GmbH (www.papstar-solutions.de) angelieferten Kompostiermaschine zur Verwertung organischer Abfälle/Reste aus den Bereichen Küche und Restaurant lassen sich durch sein Know-how wertvolle Erfahrungswerte sammeln.
Zwei Schubkarren Rohkompost pro Woche
"Wir befüllen die Maschine immer abends; am nächsten Morgen ist dann so gut wie nichts mehr zu sehen", beschreibt Fabian Isele einen durchaus motivierenden Effekt. Für den Rohkompost, ein hochwertiger Bodenersatzstoff, gebe es mannigfache Einsatzmöglichkeiten, von den reich bepflanzten Außenanlagen bis hin zum Seehotel-eigenen Waldstück oder Moorgebiet. "Da sprechen wir von einem Volumen von circa zwei Schubkarren pro Woche", so Isele, der natürlich auch den Stromverbrauch des Oklin-Modells GG10s genauestens im Blick behält. Rasch verständigen wir uns auf das Ende des Jahres; eine derart praxisnahe Auswertung ist ja nicht zuletzt auch für uns beziehungsweise die Kollegen von der Solutions GmbH von großem Interesse.
Mit Tim und Anna steht die dritte Wiesler-Generation bereit
Abschließend erzählt uns Klaus-Günther Wiesler, dass er schon von Kindesbeinen an mit der Natur, (Bauern-)Hof und Wald verbunden gewesen sei. "Mit der Installation einer Stückholzheizung hat 1984 alles begonnen, bevor im Verlauf der 90er Jahre eine erste zarte Nachhaltigkeits-Strategie entstehen konnte", so der Seniorchef, der glücklich, "beruhigt" und nicht zuletzt wohl auch ein bisschen stolz darüber ist, dass sich seine Kinder - Sohn Tim (21) als ambitionierter Koch (kehrte coronabedingt von einem Engagement in einer Sterneküche aus Sydney zurück) und Tochter Anna (23, studiert in Innsbruck Hotelmanagement, dazu Tourismus- und Freizeitmanagement) - dazu anschicken, das Lebenswerk der (Groß-)Eltern in die dritte Generation zu führen. "Ich wollte sie gar nicht erst begeistern, sondern nur zeigen, dass sich lohnt, was wir tun", so das Familienoberhaupt: "Mit meiner Frau Eva, die unseren hauseigenen Beauty-Spa leitet, habe ich ihnen bewusst vorgelebt, was es bedeutet, einerseits ganz für die Gäste da zu sein - beispielsweise an Weihnachten und Silvester, andererseits aber auch die Freiheiten und Vorzüge eines Hotelliers zu haben. So sind wir nach Stressphasen zusammen verreist, waren bei Kollegen zu Gast und haben es uns gutgehen lassen."
Das "Der-Apfel-fällt-nicht-weit-vom-Stamm"-Prinzip
Es fällt nicht wirklich schwer zu glauben, wenn Klaus-Günther Wiesler erzählt, dass es für ihn absolut keine Belastung sei, am Arbeitsplatz zu wohnen und dass er es genieße, das Hotel jeden Tag mit den Augen eines Gastes sehen zu können. Und wenn wir das "Der-Apfel-fällt-nicht-weit-vom-Stamm"-Prinzip heranziehen, dann scheint Tochter Anna aus exakt dem gleichen Holz geschnitzt zu sein. "Man wolle die Gäste gar nicht über Gebühr mit Nachhaltigkeitsthemen behelligen - schlimmstenfalls noch ungefragt", so die junge Frau, die bei allem, was sie tut, ein erfrischendes "Herzlich-willkommen-Gefühl" zu verbreiten weiß: "Stattdessen stecken wir lieber all unsere Energie in die kleinen Dinge, die unseren Gästen den Aufenthalt so angenehm wie nur eben möglich machen."
Dem Papa werden diese Worte - wenn er sie dann hier liest - sicherlich gefallen. Wie war das noch gleich? Nachhaltigkeit aus einer inneren Überzeugung heraus - und nicht, weil irgendwer irgendetwas von einem erwartet oder voraussetzt. Sollten wir nochmal in der Gegend sein, kommen wir gerne wieder! Auch ohne redaktionellen Auftrag im Sinne der Umwelt. ;-)
Kontakt
Seehotel Wiesler GmbH - Geschäftsführer: Klaus-Günther Wiesler, Rosemarie Wiesler und Eva Wiesler; Strandbadstraße 5, 79822 Titisee-Neustadt, Telefon: +49 (0)7651 980 90, E-Mail: infoseehotel-wiesler.de, Internet: www.seehotel-wiesler.de
- facebook: www.facebook.com/seehotelwiesler
- Instagram: www.instagram.com/seehotelwiesler
Punkt für Punkt: Die nachhaltige Geschichte des Seehotels
"Eine Reise durch die nachhaltige Geschichte unseres Seehotels" ist die von Fabian Isele erstellte PowerPoint-Präsentation überschrieben, die sämtliche Maßnahmen unter der Ägide von Klaus-Günther Wiesler dokumentiert. 48 ausgewählte an der Zahl - ökonomischer, ökologischer oder sozialer Natur, hier in einer Art "Schnelldurchlauf" ...
- Stückholzheizung - Versorgung mit nahezu CO2-freier Wärme
- GRANDER-Wasser - Aufbereitung des Wassers, reduziert die Verwendung von Wasserflaschen
- Stromrichter - Verträglichkeit der Immissionen elektromagnetischer Felder (Umwelt und Mensch)
- Gästezimmer in Holzbauweise - Renovierungen mit regionalem Fichtenholz und lokaler Schreinerei
- Flächenversiegelung - Reduzierung entspannt Regenwassermanagement
- Ökostrom - Versorgung mit CO2-freiem Strom (seit 2004)
- Photovoltaikanlage (PV) - Einspeisung von Strom in das Netz
- Holhackschnitzel - CO2-freie Wärmeversorgung durch die Verwendung regionaler Hölzer
- Hybride Sauna - Vorheizung der Sitzbänke mit Wärme der Hackschnitzelanlage
- Wärmedämmung - kontinuierliche Optimierung der Isolation des Hauses
- Eiswürfelmaschine - wassersparende Produktion von Eiswürfeln
- Kühlgerätesteuerung - energiesparende Kühltemperaturregelung
- Zimmerstromzufuhr - Vermeidung "Standby-Modus" durch Zimmerkarten-gesteuerte Stromzufuhr
- E-Autos und Ladestation - Testmöglichkeiten für Gäste (2007 bis 2018)
- Naturparkwirte - Gründungsinitiative; mehr heimische Produkte in den Restaurants
- Öffentlichkeitsarbeit - Vorträge/Messen als Motivationsweitergabe für nachhaltiges Handeln
- Regionale Bio-Küche - Verwendung von über 250 regionalen und 60 biozertifizierten Produkten
- Moorschutz - aktiver Schutz eines eigenen Moorgebietes (mit Krikente und Zwergtaucher)
- Mikroplastikfreie Kosmetik - hauseigene, regionale, vegane & vegetarische Kosmetikserie
- Kompostiermaschine von PAPSTAR - Verwertung von Bioabfällen aus der Küche
- Blumenwiese - heimische Blumen als Lebensraum für Insekten, vor allem Bienen
- Baumpflanzaktion - Renaturierung des sturmgeschädigten Waldes durch 600 Weißtannen
- Warmwasser-Wäschetrockner - schonende Trocknung der Wäsche ohne Stromheizung
- Ufermauer in offener Bauweise - Lebensraum für Tiere
- Insektenhaus - Unterschlupf für Insekten
- Ökologische Badeschuhe - wiederverwendbare Badeschuhe frei von schädlichen Chemikalien
- Palmölfreie Küche - Rapsöl als regionale Alternative (Ausnahme: Nutella)
- Energiesparender Whirlpool - Reduzierung von Wärmeverlusten bei Nichtnutzung
- Dachsanierung - Wärmeisolierung mit Holzwatteflocken, Optimierung "Anstellwinkels PV-Anlage"
- Wellnessbereich - Energieeinsparung durch kleine Schwimmhalle
- LED-Beleuchtung (engl. light-emitting diodes) - bedeutsame Maßnahme zur Energieeinsparung
- Essenspass - Energieeinsparung durch Lichtschranke
- Solarthermieanlage - Umwandlung der Sonnenenergie in nutzbare thermische Energie (Pool-Wärme)
- Induktionsherd - Ersatz für CO2-intensiven Erdgasherd
- eigene Wäscherei - bügel-/mangelfreie Tischwäsche/Servietten; Einsparung von Transportwegen
- Schadstoffmessung in Gästezimmern - für einen schadstofffreien Aufenthalt
- Digitale Essenskarte "Innovatives Menü" - gesunde/vegetarische Ernährung; Einsparung von Papier
- Regionaler Biowinzersekt - heimische Getränke, eigens für das Seehotel produziert
- Schutz des Brachsenkrauts - separater Badestegzugang als Schutz für das gefährdete Brachsenkraut
- WIN!-Charta (Wikipedia) - Erstunterzeichner mit Unterstützung eines Kinderinklusionscamps
- CO2-Zertifikat - Gästezertifikat über die CO2-Einsparung des jeweiligen Aufenthalts
Als nächstes größeres Projekt steht die Anschaffung eines Blockheizkraftwerkes (BHKW) bevor. "Dadurch wird das Seehotel größtenteils energieautark werden", so Fabian Isele: "Eine mit Biomasse betriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlage und das Blockheizkraftwerk sollen CO2-neutral Strom und Wärme liefern."